Harte Zeiten
OK, dass 2021 kein einfaches Jahr war, dürfte jeder mitbekommen haben. Ich habe persönlich zum Glück nicht unter der Pandemie leiden müssen, aber wenn eine hochinfektiöse Krankheit grassiert, dann ist es schwierig seine Existenz als selbstständiger Selbstverteidigungstrainer aufzubauen. Immerhin hat Gewalt ja was mit Körperkontakt zu tun.
Im Juni durfte ich zum ersten Mal in diesem Jahr mich mit anderen Menschen treffen und trainieren. Abgesehen vom wirtschaftlichen und konditionellen Schaden, war es eine sehr merkwürdige Erfahrung, solange nicht zu trainieren. Nachdem ich mit 17 angefangen habe Krav Maga zu trainieren gab es keine Woche, in der ich nicht beim Training war. Sieben Monate Zwangspause waren da, wie eine andere Welt.
Die zweite Jahreshälfte war stark. Zwar gab und gibt es viele Menschen, die sich aus Vorsicht vor körperlichem Training zurückhalten und das muss man respektieren, aber die meisten waren sehr enthusiastisch. Meine Kurse liefen wieder an und auch Privattraining hat deutlich zugenommen. So weit, so gut. Besonders stolz bin ich auf die Seminare.
2021 konnte ich zwei Seminare in Präsenz geben. Einmal mein Programm zu den wichtigsten Grundlagen der Selbstverteidigung im Fight Gym Hamburg und als zweites war ich in Lübeck. Die Chin Woo Schule hat mich eingeladen ihr Kampfsporttraining durch meinen Fokus auf Gewalt zu ergänzen. Mit sechs spannenden und herausfordernden Stunden zum Bewältigen von Hinterhalten wurde ganze Arbeit geleistet. Das war mein allererstes Seminar außerhalb Hamburgs und ein wichtiger Meilenstein für mich.
A whole new world
Der Lockdown hatte auch etwas Gutes. Ich war gezwungen meine Inhalte zu überarbeiten und unter neuen Bedingungen zu unterrichten. Zwei Ansätze musste ich dabei verfolgen. Die ersten Trainingseinheiten im Juni mussten ohne Kontakt stattfinden. Also, wie trainiert man sinnvoll für eine hochdynamische Konfliktsituation ohne Körperkontakt und ohne, dass die Teilnehmer sich langweilen? Ich habe festgestellt, dass deutlich mehr geht, als gedacht. Körpermotorik, Bewegungsarbeit, Schlagtechnik, Aufmerksamkeitstraining und Fluchtverhalten sind nur einige Ideen.
Viel interessanter (vom didaktischen Standpunkt) finde ich Onlinetraining. Wenn Du an Deinem Schreibtisch in Deiner Wohnung sitzt und an Deinem PC in eine Webcam schaust und in ein Mikrofon redest, ist die Gesamtsituation so weit, wie nur möglich von physischer Gewalt entfernt. Was wir im Präsenztraining zu replizieren versuchen, dass ist Online überhaupt nicht möglich. Bringt Onlinetraining also überhaupt was?
Meiner Meinung nach ja, unter einer Voraussetzung. Wir versuchen gar nicht erst eine kastrierte Variante dynamischen Trainings nachzuspielen. Das funktioniert nicht. Stattdessen kann ein Onlinekurs sehr gut für folgende Dinge funktionieren: Wissensvermittlung und Soft Skills. Ich habe einen sechsteiligen Onlinekurs entwickelt zu den wichtigsten Selbstschutzinhalten, die didaktisch sinnvoll online erlernt werden können.
Beispielsweise ist ein komplettes Modul dem Verstehen von Gewaltsituationen gewidmet. Mithilfe von Videoanalysen wird Täterverhalten identifiziert und untersucht. Anschließend erlernen die Teilnehmer eine Methodik, um ihre Aufmerksamkeit zu schulen und füttern die Präkontakt-Idikatoren dazu. Es gibt definitiv einen Mehrwert. Am besten sollte Onlinetraining in Kombination mit Präsenztraining zusammenarbeiten, aber man nimmt, was man kriegen kann.
Lebenslanges Lernen
Ich weiß, dass meine Fähigkeiten und mein Wissen keinesfalls vollendet sind. Was für eine absurde Überlegung, dass ein Mensch eine Sache absolut perfekt beherrscht. Es geht immer besser und es gibt immer neue Ansätze. Aus diesem Grund ist es mir eine Herzensangelegenheit, dass mein Beruf mir die Möglichkeiten gibt, immer Neues zu lernen. Zusätzlich glaube ich, dass kein Trainer wirklich gute Arbeit erbringen kann, wenn er sich nicht konstant weiterbildet.
2021 war gefüllt mit Webinaren, Onlinekursen, Seminaren, Trainerausbildungen, Lektüre, Training, Reflexion und Erfahrungen. Es würde den Beitrag sprengen, wenn ich alle Inhalte hier aufführe. Nicht alles, was ich gemacht habe, war super nützlich oder hat mein Vorgehen entscheidend beeinflusst. Manches aber schon. Genau so lernen wir Menschen. Probiere Sachen aus, wechsel die Perspektive, beobachte, was andere tun, spiele mit den Inhalten, sei neugierig.
Um ein wenig zu illustrieren, was ich gemacht habe, sind hier mein Bücherstapel von 2021 und eine Wortwolke zu den diversen Themen, mit denen ich mich beschäftigt habe. Für 2022 habe ich schon ein paar spannende Fortbildungen im Blick. Ich werde nie aufhören, an mir zu arbeiten.
Gute(?) Vorsätze
Ein Rückblick ist nicht vollständig, ohne auch nach vorne zu blicken. Was will ich 2022 erreichen? Neben meinem Anspruch, immer etwas zu lernen und der Notwendigkeit, genug Geld zu verdienen, will ich vor allem das Privileg genießen, dass ich mich mit Leidenschaft nur noch aufs Training konzentrieren kann. Ich freue mich z.B. sehr darauf, endlich mal Tobias Brodala kennenzulernen. Das stand schon lange auf der To-do-Liste.
Was meinen eigenen Unterricht angeht, so will ich auf jeden Fall die Onlinekurse beibehalten und mehr Seminare geben. Sieht in der Jahresplanung auch nicht schlecht aus. Ich habe inzwischen zusätzlich zum Online-Grundlagenkurs auch vier Spezialkurse, von denen zwei im neuen Jahr zum ersten Mal laufen. Auch bin ich schon für drei Seminare außerhalb Hamburgs gebucht (neuer Rekord!) und eines davon ist ein Spezialprojekt, auf das ich hinfiebere. Mehr Infos später.
Ansonsten habe ich vor bei manchen meiner Projekte aus der Planungsphase herauszukommen und ein bisschen mehr Struktur in meine Posts zu bringen. Unter anderem will ich auch wieder regelmäßig Artikel schreiben, da habe ich im letzten Jahr geschwächelt. Wir sehen uns also bald wieder. Muss nur noch Corona mitspielen.